3. Romantik-Kolloquium
Romantik als Praxis
09. January 2025
Senatssaal, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Wissen und Praktiken sind in vielfacher Weise miteinander verbunden. Wissen speist sich in Handlungen ein, gedankliche Komplexe und Zusammenhänge sind immer auch Bestandteil konkreter Alltags- und Lebenspraktiken. Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen scheint es lohnend, sich mit der „Romantik als Praxis“ zu befassen. Denn kaum eine kulturelle Strömung hat so umfassend nicht nur auf die Theoriebildung gesetzt, sondern auch auf das soziale Handeln und auf Verhaltensroutinen gewirkt. Mittels Praktiken wird sie prozessual hervorgebracht und fortgeschrieben. So zeichnet sich die Romantik durch spezifische Praktiken der Geselligkeit, durch kollaborative Praktiken der „Sympoesie“ oder des „Symphilosophierens“ und durch eine Form des Schreibens aus, in der die Schreibpraxis selbst als solche erkennbar bleibt. Allgemeiner lässt sich fragen, ob es nicht ein Grundzug der Romantik sein könnte, auf grundlegende Probleme nicht mit einer vermeintlich finalen Lösung, sondern mit einer anhaltenden Bearbeitung in Praktiken zu antworten: statt der Suche nach dem letztgültigen Gedanken eine unendliche Annäherung im fortdauernden Denken. Vielleicht ist es kein Zufall, dass im Zentrum der berühmten Begriffsbestimmung von Novalis mit dem „Romantisieren“ (und Logarithmisieren) ein Prozess steht.
Zu erörtern ist, welche sozial geteilten, durch ein implizites Wissen zusammengehaltenen Praktiken auf die historische Romantik zurückgeführt werden können und was diese Praktiken charakterisiert. Dabei soll es um Bereiche gesellschaftlichen Lebens gehen, in denen sich exemplarisch ein romantisch geprägter ‚nexus von doings and sayings‘ (Theodore Schatzki) zeigt. Ausgehend von praxistheoretischen Ansätzen (Bourdieu, Giddens, Reckwitz) gilt es nicht nur zu fragen, inwiefern die historische Romantik Praktiken motiviert hat, sondern auch, welche Praktiken oder Rituale ihrerseits für die Hervorbringung eines romantischen Diskurses und romantisch grundierter Lebensformen zentral waren. Nicht zuletzt soll das Interesse an „Romantik als Praxis“ methodische Überlegungen einschließen und die Herausforderungen praxeologischer Ansätze für die Romantikforschung reflektieren.